Juden im Zweiten Weltkrieg

In der Gedankenwelt von Adolf Hitler und in der Ideologie der Nationalsozialisten spielte der Antisemitismus eine große Rolle. Allerdings waren Juden in ganz Europa schon seit dem Mittelalter oft das Ziel von Verfolgung und Diskriminierung. Religiöse Gründe dienten dafür oft als Vorwand. Ab dem 19. Jahrhundert traten unterschiedliche Auffassungen von Völkern und „Rassen“ in den Vordergrund. Im Alltag änderte das jedoch nichts: Juden wurden in ganz Deutschland weiterhin diskriminiert. Die Vorstellung, dass sie einem anderen Volk angehörten, war weit verbreitet.

Diese Vorgeschichte zeigt, dass der Antisemitismus, der vor und während des Zweiten Weltkriegs zur Ermordung von rund sechs Millionen Juden führte, nicht aus dem Nichts entstand. Auch Adolf Hitler selbst kam schon früh mit antisemitischen Vorurteilen in Berührung. Nach dem Ersten Weltkrieg festigte sich dieses Weltbild. Allgemein war damals in rechtskonservativen und nationalistischen Kreisen die Dolchstoßlegende weit verbreitet. Diesem Mythos zufolge war Deutschlands Niederlage nicht auf dem Schlachtfeld geschehen, sondern durch den Verrat von Juden, Kommunisten und Sozialdemokraten im Innern.

In dieser Zeit begann zudem Hitlers politische Laufbahn. Vor dem Hintergrund von revolutionären linken und rechten Bewegungen, die nach dem Ersten Weltkrieg in ganz Deutschland aktiv waren, wurde sein Antisemitismus immer radikaler. Somit begann die Entwicklung, die unter der Herrschaft der Nazis später in den Massenmord an den Juden führte.

Das Jahr 1933 als Beginn der Katastrophe

Hitlers Vorstellungen aus den 20er Jahren blieben bis zu seinem Tod größtenteils unverändert. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Nationalsozialisten allerdings noch nicht die Chance, die Vorstellungen ihres Führers tatsächlich im großen Stil umzusetzen. Das änderte sich ab der Machtergreifung 1933.

Nachdem Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, zelebrierten die Nationalsozialisten ihre führende Stellung in der Politik. Zudem gab es bereits kurz danach erste Aufrufe zum Boykott von jüdischen Anwälten, Ärzten und Geschäften. Schon in den ersten Jahren der Diktator emigrierten daher Zehntausende Juden – allerdings war das nur ein kleiner Teil der Juden in Deutschland. Viele gingen zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass sich die NS-Regierung nicht lange halten würde.

Im Laufe der 30er Jahre wurden Juden dann immer mehr von staatlicher Seite diskriminiert. Viele Beamte wurden aus dem Staatsdienst entlassen, in anderen Berufszweigen sowie im kulturellen Leben gab es ebenfalls Vorschriften, um Menschen mit jüdischen Wurzeln auszuschließen. Selbst Kleinigkeiten im Alltag wurden schon früh geregelt. Bereits 1934 wurde Juden zum Beispiel der Besuch des Freibads in Berlin-Wannsee verboten, ähnliche Vorschriften gab es auch an vielen anderen Orten in ganz Deutschland.

Im Jahr 1935 verkündete Hitler schließlich beim Reichsparteitag die „Nürnberger Gesetze“. Spätestens damit wurde der Antisemitismus zur Grundlage des staatlichen Handelns. Übergriffe auf Juden waren zu diesem Zeitpunkt längst zum traurigen Alltag geworden. In der Bevölkerung war die jahrelange Propaganda der Nazis aufgrund der ohnehin schon bestehenden Vorurteile auf fruchtbaren Boden gefallen.

Am 9. November 1938 mündeten diese Entwicklungen schließlich in die Reichspogromnacht. Im Rahmen von staatlich organisierten Übergriffen wurden zahlreiche Menschen getötet oder verletzt. Zudem wurden viele Synagogen, jüdische Geschäfte und andere Einrichtungen zerstört. Die Ereignisse wurden für viele Juden zu einem Wendepunkt, in der Folge kam es zu einer erneuten Welle von Emigranten. Allein 1939 flohen rund 75.000 Juden, viele weitere konnten oder wollten sich die Emigration jedoch nicht leisten.

Endlösung der Judenfrage

Im September 1939 begann durch den deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Nach und nach kamen immer mehr Länder unter deutsche Besatzung. Auch dort traten somit die Gesetze gegen die Juden in Kraft. In der Folge war es zunächst das Ziel der Nazis, sämtliche Juden zu vertreiben. Dazu gab es verschiedene Pläne, unter anderem die Zwangsumsiedlung in die französische Kolonie Madagaskar oder in entfernte Regionen von Osteuropa.

Unter Historikern gibt es keine einheitliche Meinung darüber, ab wann die Pläne zur Ermordung von Millionen von Juden tatsächlich konkret wurden. Allgemein wird jedoch angenommen, dass der Beginn des Feldzugs gegen die Sowjetunion im Juni 1941 eine entscheidende Wendung war. Relativ schnell wurde zu diesem Zeitpunkt klar, dass die Umsiedlungspläne nicht realistisch waren.

Im September 1941 wurden zum ersten Mal Hunderte Menschen im Konzentrationslager Auschwitz vergast. Im Oktober begann dann der Bau des Vernichtungslagers Belzec, weitere Lager sollten in den kommenden Monaten folgen. Im Januar 1942 fand schließlich die Wannseekonferenz in Berlin statt. Dort wurden alle Maßnahmen zur Ermordung der Juden koordiniert. In der Folge war der Begriff „Endlösung der Judenfrage“ bei allen NS-Behörden, die am Holocaust beteiligt waren, endgültig etabliert.

Emigration als vermeintliche Rettung

Bereits nach den ersten Boykottaufrufen Anfang 1933 emigrierten viele jüdische Bürger aus Deutschland. Allerdings entwickelte sich daraus selbst nach den Nürnberger Gesetzen im Jahr 1935 keine riesige Welle, vielmehr war es ein stetiger Strom an Menschen, die ihrer Heimat den Rücken kehren mussten. Bis Ende 1937 flüchteten rund 130.000 Juden aus Deutschland, in den beiden Folgejahren waren es noch einmal rund 120.000 Juden.

Viele dieser Menschen wollten oder konnten jedoch nicht in weit entfernte Länder auswandern. Allein in die Niederlande, nach Belgien und nach Frankreich emigrierten zwischen 1933 und 1939 jeweils rund 30.000 Juden aus Deutschland. Weitere 25.000 Menschen zog es nach Polen, auch andere Länder in Osteuropa wurden zum Ziel von Tausenden von Juden. Oft war die Emigration deshalb nur eine vermeintliche Rettung. Nach der Besetzung dieser Länder durch Deutschland wurden auch dort die strengen Gesetze gegen Juden eingeführt, später wurden viele der zunächst emigrierten Juden dann ebenfalls Opfer des Holocausts.

Allerdings gab es auch viele Juden, für die die Emigration zur Rettung wurde. Zwischen der Machtergreifung und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs emigrierten allein mehr als 100.000 Juden in die USA, mehr als 50.000 Menschen zog es nach Großbritannien. Auch Südamerika war ein beliebtes Ziel: Mehr als 60.000 Juden aus Deutschland fanden dort ihre neue Heimat, die meisten von ihnen in Argentinien. Fast die gleiche Zahl wanderte nach Palästina aus, das zu diesem Zeitpunkt unter britischer Herrschaft stand.

In Deutschland hatten Flucht und Emigration von Juden und anderen verfolgten Minderheiten enorme Folgen für Wirtschaft und Wissenschaft, Politik und Kultur. In erster Linie war diese Entwicklung jedoch ein humanitäres Drama. Oft konnten Menschen, die emigrieren wollten, nur die nötigsten Dinge mit in ihre neue Heimat nehmen. Sie konnten zwar ihr Leben retten, wurden aber komplett entwurzelt und verloren oft auch den größten Teil ihrer Ersparnisse. Der Start in ein neues Leben an einem unbekannten Ort war somit für die meisten Juden alles andere als einfach.

Stolpersteine als Erinnerung

In vielen Bereichen wirkt die Zeit des Holocausts bis heute nach. Obwohl sich jüdisches Leben in Deutschland im Laufe der vergangenen Jahrzehnte nach und nach wieder entwickelt hat, gibt es noch immer Antisemitismus, der sich in vielen Formen zeigt. Zudem gibt es nur noch wenige Zeitzeugen, die von ihren Erlebnissen unter der Herrschaft der Nazis berichten können. Für die meisten Deutschen ist der Zweite Weltkrieg heute deshalb eine Zeit, über die sie nur aus Geschichtsbüchern oder in Museen lernen können.

Eines der wichtigsten Projekte, die für eine lebendige Erinnerung sorgen sollen, sind deshalb die Stolpersteine. Dieses Projekt wurde im Jahr 1992 vom Künstler Gunter Demnig gestartet. Seine Idee war es, im Boden kleine Gedenktafeln, die sogenannten Stolpersteine, zu verlegen. Damit soll an das Schicksal von einzelnen Menschen erinnert werden, die unter der Herrschaft der Nazis verfolgt, deportiert, ermordet oder auf andere Weise schikaniert wurden.

Die Stolpersteine sind nur knapp zehn mal zehn Zentimeter große Messingtafeln und werden in Handarbeit beschriftet. In der Regel werden sie vor den letzten Wohnhäusern von NS-Opfern im Gehweg eingelassen. Schon im Jahr 1997 wurde auch in Österreich mit dem Verlegen von Stolpersteinen begonnen. Ab 2007 kamen zunächst die Niederlande und Ungarn, später dann nach und nach weitere Länder in Europa hinzu.

Heute gibt es in mehr als 20 Ländern Stolpersteine. Allein in Deutschland finden sich in über 1000 Städten und Gemeinden mehr als 75.000 Stolpersteine. Darauf finden sich kurze biografische Angaben der Verfolgten oder Ermordeten. Eine Patenschaft für diese Stolpersteine kann jeder übernehmen, allerdings ist das Projekt auch umstritten. Kritiker betonen vor allem, dass die Namen von Opfern der Nazis nicht mit Füßen getreten werden sollen.

Diese Meinungen haben an vielen Orten dazu geführt, dass sich Stadt- und Gemeinderäte sowie andere Gremien intensiv mit dem Projekt auseinandergesetzt haben. Oft hat das dazu geführt, dass die Stolpersteine nach intensiven Beratungen verlegt werden konnten. Auf diese Weise hat sich das Projekt bis heute zum größten dezentralen Mahnmal der Welt entwickelt.

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