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Luc van Gessel: Wir haben gewonnen! Wir sind immer noch hier!

Die Shoah zerstörte nicht nur unzählige Leben, sondern markierte auch einen Bruch in der Weltgeschichte. Überlebende zerstreuten sich auf der ganzen Welt. Sie lebten nicht mehr in den Dörfern, Städten und Ländern, in denen ihre Vorfahren seit Hunderten von Jahren gelebt hatten. Traditionen und Bräuche, uralte Familiengeschichten und die Erinnerung an die Vorfahren verschwanden.

In meiner Jugend, in den 60er und 70er Jahren, erlebte ich dies als Vakuum. Meine Mutter, Mimi van Gessel – geb. van Dam (1929 – 2016) wurde im selben Jahr wie Anne Frank geboren. Im Gegensatz zu ihrer weltberühmten Gleichgesinnte überlebte Mimi die Shoah, indem sie sich in den Niederlanden versteckte. In der Nachkriegszeit baute ihre Generation mit unvorstellbarer Kraft und Energie eine neue Gesellschaft auf. Es war kein Platz mehr, um zurückzublicken. Mimi gründete eine Familie in Amsterdam. Sie kehrte nie wieder in die kleine südholländische Stadt Sittard zurück, in der ihre Vorfahren seit dem 17. Jahrhundert gelebt hatten. Mimis lebenslanger Kummer war, dass ihr älterer Bruder Gustaaf (Gus) van Dam (1921 – 1943/44), der 1942 von der Gestapo wegen Widerstandshandlungen verhaftet wurde, in der Shoah verschwunden war.

Jahre der Suche und Recherchen

2012 begann ich nach der schicksalhaften Geschichte von Mimis Bruder zu suchen. Es dauerte bis 2019, bis festgestellt wurde, dass er 1943/44 im NS-Sklavenlager Blechhammer ermordet wurde. Auf meiner Suche nach Gus entdeckte ich unzählige Details über meine Vorfahren in den Niederlanden und in Deutschland, und ich entdeckte auch einen Familienzweig, der als ausgestorben galt.

2013 war ich angenehm überrascht zu entdecken, dass die Sittard-Historiker Jacques Lemmens und Wouter Brassé (stolpersteinesittardgeleen.nl) die Genealogie und Familiengeschichte meiner Vorfahren Silbernberg kartiert hatten. Als ich sie besuchte, brachten sie mich zu den Überresten des jüdischen Friedhofs von Sittard. Da waren die beschädigten und zerbrochenen Grabsteine meiner Urgroßeltern Herman Silbernberg und Rosalia Silbernberg geb. Schwarz. Auf Rosalias Grabstein der Ort „Korschenbroich“ in Deutschland als Geburtsort verzeichnet.

Einige Zeit später entdeckte ich in der ländlichen Stadt Korschenbroich das ehemalige jüdische Viertel, den Standort der Synagoge und die ehemalige Heimat meiner Vorfahren Schwarz. Im Rathaus fand ich Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden meiner Vorfahren Schwarz.

„Waren Sie schon auf dem jüdischen Friedhof?“ fragte mich der Hausmeister. „Nein? Dann haben Sie hier den Schlüssel.“

Auf dem kleinen, ordentlich gepflegten Friedhof entdeckte ich die Gräber meiner Ururgroßeltern Philipp Schwarz, seiner Frau Sophia Schwarz geb. Kamp und ihrer Söhne. Zwei ihrer Kinder waren nicht dort begraben: meine Urgroßmutter Rosalia Schwarz, die 1895 in die Niederlande ausgewandert ist, und ihr jüngster Sohn Albert Schwarz. Ich entschied, dass ich mehr über Albert wissen wollte und so suchte ich weiter im Internet.

Iris Gedig und ihr Zauberbuch

Schließlich wurde ich auf der Website Familienbuch Euregio fündig. Ich fand die komplette Genealogie meiner Vorfahren Schwartz, bis hin zu Manus Schwartz, der Ende des 17. Jahrhunderts im Rheinlanddorf Müddersheim lebte. Es stellte sich heraus, dass Albert Schwarz 1944 in Auschwitz mit seiner Frau Hedwig Wihl ermordet wurde.

Als ich 2013 entdeckte, dass die Besitzerin von Familienbuch Euregio, Iris Gedig, ein Buch über die Familie Schwarz geschrieben hatte, habe ich sie umgehend kontaktiert. In den Jahren danach hat Iris Gedig mir enorm geholfen, die Geschichte meiner Vorfahren weiter auszubauen. Sie hat unter anderem entdeckt, dass Albert und Hedwigs Kinder die Shoah überlebt hatten. Ihre Tochter Hertha Philippine Kamp überlebte in Brüssel, ihr Sohn Heinrich Philipp Ouri floh 1939 in das damalige englische Mandatsgebiet Palästina. 

Von 1940 bis 1944 kämpfte er in der britischen Armee gegen die Nazis. Iris Gedig entdeckte, dass Ouri zwei Kinder hatte, die mit ihren Nachkommen in Israel lebten. Sie kontaktierte Sally, erzählte ihr von ihrer langjährigen Suche und gab‘ ihr die ihr bekannten Daten, so auch den vermeintlichen Wohnort von Ouri Schwarz. Sally suchte im Internet diesen Wohnort und entdeckte in dessen Telefonverzeichnis 3 Familien mit dem Namen Schwarz. Ohne zu zögern, rief die noch am selben Tag den ersten verzeichneten Schwarz an. Es meldete sich ein Ikey Schwarz. Sally erklärte ihm, weshalb sie anriefe und fragte an, ob ihm ein Ouri Schwarz bekannt sei. 

Es entstand eine lange Pause und dann antwortete Ikey total gerührt: „Ouri Schwarz war mein Vater“. Sie sprachen eine noch eine ganze Weile und Sally erzählte mir später, dass sie eine Gänsehaut bei diesem Gespräch bekommen hatte. So ein Telefonat ist eben etwas ganz besonderes, ein unvergleichliches Erlebnis für alle Parteien.

2016 besuchte mich Ikey Schwarz in Amsterdam. Ein unvergessliches Erlebnis. 

Meinen Cousin zu umarmen war ein Sieg über die Shoah!

Ikey Schwarz: Sally Ido, eine Frau, die für mich eine Legende ist!

Sally ist verantwortlich für ein bahnbrechendes Ereignis in meiner Familie und in meinem Leben. Alles begann mit einem Anruf, der bis zu diesem Moment für mich anonym war. Die Frau am anderen Ende der Leitung, die sich als Sally Ido vorstellte, war mir unbekannt, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass Sally im Verlauf des Gesprächs die Frau mit unfassbaren Nachrichten für mich werden würde.

70 Jahre meines Lebens habe ich in dem Wissen verbracht, dass die Familie meines Vaters, meine Schwester, mein Cousin und mein Onkel, die einzige Familie väterlicherseits waren, die ich kenne, und ich lebte mit dem Wissen, dass die Eltern meines Vaters, meine Großeltern, die in der Holocaust umgekommen sind, die einzigen Nachkommen meiner Familie waren.

Während ich mit Sally sprach, stellte sich heraus, dass ich falsch lag. Mein Herzschlag beschleunigte sich ins unermessliche, als Sally davon überzeugt wurde, dass ich genau die Person war, die sie suchte. Ihre Botschaft war: „Du bist nicht allein, ich habe vor mir den Stammbaum der Familie deines Vaters …“

Überraschend aufregend – ich habe eine Familie, von der ich nicht wusste, dass sie existiert!

Ein Teil der Familie, deiner Vorfahren, zwei Generationen vor mir, seitens meines Großvaters Albert Schwartz und seitens meiner Großmutter Hedwige Wihl haben überlebt. Zwei Generationen mit historischem Hintergrund und noch lebenden Menschen.

Ich war sprachlos, aufgeregt und konnte das Gehörte kaum fassen. In meinem Kopf wirbelten die Gedanken nur noch durcheinander. Sally gab mir weitere Daten, schickte mir den Stammbaum und Diagramme, die von einer großen Familie erzählten.

Es war alles so unglaublich, aufregend – ich habe eine Familie, von der ich nicht wusste, dass sie existiert!
Sally erzählte mir, dass ein Cousin zweiten Grades schon seit Jahren die Familiengeschichte recherchierte und vor kurzem endlich Erfolg gehabt hatte und den umfassenden Stammbaum unserer Familie, auf einer Webseite namens Familienbuch Euregio entdeckt hatte.

Besagter Cousin, Luc Van Gessel, war verheiratet, hatte drei Kinder und lebte in der Nähe von Amsterdam…

Ich bat Sally meine Rufnummer an den Cousin weiterzuleiten. Am nächsten Morgen klingelte das Telefon, mein Cousin, Luc, war in der Leitung. Ein unbeschreibliches Gänsehautgefühl überflutete meinen ganzen Körper. Die Aufregung die mich erfasste ist schwer auszudrücken. 70 Jahre, die mich von den Nachrichten trennen, ich bin nicht allein!!!

Um das immer noch unglaubliche Ereignis zu vervollständigen, flogen wir zu einem Familienbesuch, besuchten Luke, seine Frau und Kinder in den Niederlanden. Luc organisierte weitere Familienmitglieder zu einem aufregenden Familientreffen. 

Luc sammelte weitere Daten, ergänzte die fehlenden Daten und lud alles auf den Stammbaum hoch.

Danke dir Sally, vielen Dank !!!